Gestaltung

DEUTSCHLANDEUTSCHLAND

Gedenkort für die ermordeten und deportierten Juden in Mainz

Es gibt nach unseren Erfahrungen zwei Reaktionen auf den Entwurf: Entweder erwecken diese beiden Worte Assoziationen an Haydn oder an das Skandieren bei Demonstrationen, Aufmärschen oder im Fußballstadion! Beide Reaktionen können Ausdruck des Bedürfnisses nach Zugehörigkeit und das starke Bedürfnis nach Symbolik sein.
Wenn „DEUTSCHLAND“… für ein Land steht, das sich nach dem Nationalsozialismus, dem 2. Weltkrieg für einen Rechtsstaat, eine parlamentarische Demokratie, entschieden hat, das sich Toleranz und den Respekt vor anderen Kulturen, Religionen und Weltanschauungen in die Verfassung geschrieben hat, dann steht DEUTSCHLANDEUTSCHLAND verkehrt herum für einen missverstandenen Patriotismus, der Ausgrenzung und Ablehnung von Andersdenkenden meint. Eben unser Welt auf dem Kopf.
Nicht Integration sondern Segregation, nicht Diskussion und parlamentarische Auseinandersetzung, sondern Aggression, Autoritarismus und sogar Diktatur…! Nicht Neugier und Empathie oder vielmehr Akzeptanz gegenüber anderen Kulturen, Sprachen, Sitten, Religionen sondern Machtkampf, Drang nach territorialer Überlegenheit und letztlich politischer Piraterie.
DEUTSCHLANDEUTSCHLAND verkehr herum soll daran erinnern und mahnen, dass Toleranz, Menschlichkeit und Völkerverständigung nicht selbstverständlich sind, sondern immer wieder neu belebt und erkämpft werden müssen.
Nicht nur die Geschichte im 20. Jahrhundert sondern auch die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Europa und weltweit zeigen, wie wichtig es ist, die demokratischen Errungenschaften zu bewahren. Sie zeigen auch wie schleichend oder auch schnell (!) sich gesellschaftliche Verhältnisse ändern können und auf „Modelle“ zurückspringen, die man für historisch obsolet gehalten hat.
DEUTSCHLANDEUTSCHLAND – unsere Welt auf den Kopf gestellt – soll zuerst irritieren, neugierig machen und einmal identifiziert und gelesen sollen beide Worte schräg und atonal klingen…. und es bleibt dennoch DEUTSCHLAND, DEUTSCHLAND.
Kann sich unsere heutige Welt in naher Zukunft wandeln, so wie damals Deutschland?!
Wir wollen mit unserem Beitrag auf diese mögliche traurige Entwicklung aufmerksam machen und dauerhaft mit unserem Mahnmal warnen, wie durch einen deformierten Spiegel, wie das Bildnis des Dorian Gray. Warnen davor, dass unsere demokratische Welt, so wie sie nach dem 2. Weltkrieg aufgebaut und in Frieden weiterentwickelt wurde durch vermeintliche Einfachheit von populistischen Lösungen wie Ausgrenzung, Ablehnung und demagogische Parolen verändert werden kann.
Mit unserem Mahnmal reagieren wir auf einer Metaebene, auf die Gefahr des Rückfalls in eine Gesellschaft, die nur durch „Täter-Opfer“-Strukturen existieren kann. Wir verweisen hiermit auf die Opfer-Täter Relation und mahnen für das Bewahren von Werten wie Akzeptanz, Toleranz und Freiheit!
Wir nehmen Bezug auf die Vertreibung und Deportation der Juden, der Roma, der Dissidenten und anders Denkenden in Mainz, die das Ergebnis von Ausgrenzung, Rassismus und Menschenverachtung waren! Dokumentiert wird die Geschichte der Mainzer Juden, die Genese und Erklärung Mahnmals für den interessierten Besucher durch eine mediale Schnittstelle (offenes WLAN Netz mit hinterlegter Website) vor Ort möglich sein.
Der umgebende Raum ist ein heterogener Stadtrandbereich von Mainz an einer stark befahrenen Straße; der ausgewählte Perimeter eine städtische Restfläche, auf die im Rahmen der Arbeit reagiert werden muss.
Mit dem Mahnmal aus Beton wird auf den Ort eingegangen und ein Objekt geschaffen, welches aufgrund seines Materials und seiner Haptik dem Umfeld Stand halten kann. Es ist aus schwerem, massiv gegossenem Beton hergestellt. Platziert für die Ewigkeit, unerschütterlich und nicht zu zerstören. Die Betonskulptur soll vor Ort gegossen und wenn möglich aus einem Guss in den Abmessungen von ca. 28 x 3 x 3 Meter hergestellt werden.
Die Skulptur besteht formal aus dem massiven, durchgehenden Streifen aus Beton im Bodenbereich, der die Basis bildet – auch als bündiger Sockel zu beschreiben – der in gesamter Länge der Skulptur verläuft und diese mit dem Boden verbindet. Südöstlich schließt die Skulptur mit einem massiven Teil ab, bildet einen geometrischen Abschluss (wandartig). Aus diesem bildet sich dann gen Nordwesten die gespiegelte und um 180° gedrehte Schrift von rechts nach links. Textkörper, unterer und seitlicher Abschluss verschmelzen und bilden die Skulptur. Im Satz des Textes ist auf bewusst auf eine „D“ verzichtet worden und es entsteht eine Wort DEUTSCHLANDEUTSCHLAND
Die Geometrie der Buchstaben ist eine extrudierte Schrift und es entstehen tunnelartige Öffnungen in den Aussparungen zwischen den Buchstaben. Es ergeben sich Verschattungen, je nach Sonnenstand etc.
Der Betonblock integriert sich in die leichte (weiche) Topographie. Es wird bewusst keinen Bezug zur Umgebung hergestellt noch gibt es städtebauliche oder andere inhaltliche Bezüge der Skulptur. Ihre Ausrichtung ist einer guten Sichtbarkeit von verschiedenen Betrachtungspunkten und -winkeln in der relevanten Umgebung geschuldet. Es wird darauf verzichtet, die umgebenden Flächen stadtplanerisch in den Kontext einzubinden. So entsteht eine einfache inselartige Grünfläche. Die städtebauliche, kontextuelle Einbindung, ein Platz oder Ähnliches sind nicht angedacht.
Theoretisch kann das Mahnmal dennoch begangen werden, zwischen Gehweg und Mahnmal bildet sich jedoch ein Grünstreifen als leichte Barriere, der das gesamte Mahnmal umgibt. Das Umfeld des Mahnmals bleibt überwiegend erhalten und wird aufgewertet: Straßenlaternen bleiben, der Gehweg mit Parkplätzen im Vorfeld bleibt, die Baumreihe, die zu Disposition steht, wird dem Mahnmal weichen müssen.
Das Mahnmal ist nicht sofort als diese Erkennbar. Erst bei dem zweiten Blick wird die auf den Kopf gestellte, spiegelverkehrte Schrift erkennbar und leserlich. Eine Nah- und gleichzeitig Fernwirkung ist wichtig und soll ähnlich im Erfassen sein. Sieht der vorbeifahrende Autofahrer das gesamte Objekt in kurzer Zeit in gesamter Größe von fern, so erfährt der Fußgänger und Fahrradfahrer die Skulptur nah und im Detail und sie erschließt sich ihm langsam im Vorbeifahren. Der Effekt, der „sich erschließenden“ Skulptur ist in beiden Situationen ähnlich.
Die Skulptur schafft einen Horizont für den/die Betrachterin, sie ist eine Wand und grenzt sich selbst zum Betriebsgelände ab.

– Kunst im Öffentlichen Raum
– kein Preis, keine Nennung
– Bearbeitungszeit Wettbewerb 2017
– Ideenwettbewerb Gedenkort Deportationsrampe Mainz / offen
– Projektkooperation mit Künstler Prof. Ariel Auslender, LA Auslender Luttropp Agentur für Gestaltung GBR